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Lehrgeld auf dem Friedhof
Name: Harald Fester Was ist passiert? |
Bei einem Besuch auf dem Hauptfriedhof sprach mich ein Mann an und fragte nach der Uhrzeit. Nach meiner Antwort setzte er das Gespräch fort, indem er sagte er müsse sich sputen aus dem Friedhof zu kommen, um zum Bahnhof zu eilen. Leider sei ihm sein Fahrrad auf dem Friedhof gestohlen worden, was er kurz bei der Grabpflege aus den Augen gelassen hatte. Zudem sei auch noch seine Tasche mit Ausweisen und Geld weg. Ob ich ihm wohl 11,50 Euro für die Bahnfahrt geben könnte, diese Bitte kam in einem Atemzug. Zuerst war ich nicht bereit, weil ich meinem Gegenüber das nicht so recht abnahm. Meine Nachfrage, ob er den Diebstahl nicht melden wolle, sagte er, das sei schon geschehen und die Friedhofsverwaltung könne ihm nicht weiter helfen. Das Fahrziel hatte der Mann mit Marburg angegeben und weil ich auch eine Beziehung zu dieser Stadt habe, hörte ich weiter zu. Er kannte die gleichen Lokale in Marburg wie ich, sah in den letzten Tagen einen Film über Marburg, wo ich auch eine klein Rolle mitspielte und es kam raus, daß er Musiker ist. Spätestens hier wandelten sich meine Bedenken in Mitleid. Und weil ich die 60er Musikerszene von Marburg in einer eigenen Homepage aufarbeite, hatte mein Gewissen nun gar keine Einwände, ihm das Geld zu leihen, nachdem er auch versprach den Betrag am nächsten Ersten wieder an mich per Post zu schicken. Ich machte, weil alles so persönlich wurde, noch ein Foto von ihm und gab ihm nicht nur das Fahrgeld und meine Adresse, sondern noch etwas mehr an Geld - es waren 25 Euro. Wir verabredeten, daß ich seine unglückliche Geschichte in meiner Internetseite für den Hauptfriedhof mit seinem Foto aufzeigen würde. Auf meinem Nachhauseweg kamen meine Zweifel erneut, und ich erzählte zuhause meiner Frau die Geschichte. Ich hätte alles richtig gemacht, sagte sie und meinte, wenn einer in Not ist, dann soll man helfen. Zudem, wenn man mehr von ihm weiß, als nur die Story der Notlage. |
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Meine Begegnung im Bild festgehalten. Das Foto und die Angaben hier, sowie die Veröffentlichung dieses Artikels und der Daten wurde vor Ort mit dem Einverständnis des Mannes aus Marburg getroffen. Siehe auch hier. |
Es sollte alles anders kommen: Natürlich kam kein Geld zurück. Und das tollste, der "Marburger" sprach mich - Wochen später - ein zweites Mal an. Natürlich sind Ausreden parat gewesen, warum er mir das geliehene Geld nicht zurück schickte. Diesmal sei in Marburg seine Wohnung aufgebrochen worden und alles, was wertvoll war, sei gestohlen. Jetzt versuchte er Geld für eine neu Gitarre zu erbetteln, denn die sei auch weg und er verdiene im Moment nur sein Geld mit der Musik. Und ohne Gitarre kein Verdienst. Dreist, dieses Vorgehen. Dieses aggressive Betteln hat mich dazu gebracht, daß ich niemand mehr mit Geld aushelfe, den ich nur flüchtig kenne. ![]() Haben Sie auch etwas Ähnliches auf dem Hauptfriedhof erlebt? Seien Sie vorsichtig und immer ein wenig misstrauisch. |
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© Fester 2023